SHOWTIME: TRIAL & TERROR
SHOWTIME: TRIAL & TERROR
Im Selbstversuch wird Heiner Müllers „Hamletmaschine“ zu einem Spiel, dessen Einsatz der Text ist: „end of drama, begin of game“. Auf der Bühne steht ein Glücksrad, die Spielfelder entsprechen den fünf Akten, der Zufall bestimmt die Dramaturgie des Abends – und ein Showmaster, der die Texttreue der Spielenden auf die Probe stellt. Die Darbietung ist Konzert und kollektive Lektüre zugleich, Spaziergang durch den Text und Geisterfahrt durch die Geschichte: Hamlet, hin- und her gerissen zwischen Melancholie & Revolte in Ost-Berlin 1953, Budapest 1956, Stuttgart-Stammheim 1977: „Mein Drama, wenn es noch stattfinden würde, fände in der Zeit des Aufstands statt.“ Ophelia geistert durch das bürgerliche Wohnzimmer, in dem die Dinge allmählich außer Kontrolle geraten: Wände verschieben sich, Sofas greifen an, der Schrank wird zur Mördergrube, ein einsames Herz blutet vor sich hin und singt zum Abschied leise Servus. „Dänemark ist ein Gefängnis, zwischen uns wächst eine Wand. Sieh was aus der Wand wächst. Exit Polonius.“
(…) Wer bei diesem Vergleich schlechter abschnitt – Müllers Text oder das Showformat – war keine Frage.
Das Raffinierte an diesem Projekt bestand darin, dass es Andcompany & Co. gerade durch diese Brachialverfremdung auf wundersame Weise gelang, den Müller’schen Kern seltsam unbeschadet und wirksam offenzulegen (..)
CHRISTINE WAHL, Der Tagesspiegel