Alarm!
18.06.2011
Neuer Artikel von Alexander Karschnia zu den Kürzungen in den Niederlanden und den Theaterbesetzungen in Italien:
berlinergazette.de/theater-niederlande-italien-kulturkonterrevolution/
Die rechtsliberale niederländische Regierung plant katastrophale Kürzungen in der Kunst- und Kulturförderung, welche die bestehende Infrastruktur zerstören würde. Es geht dabei nicht nur um Streichungen, sondern es handelt sich um eine veritable Kulturkonterrevolution.
Hier gehts zur Internationalen Petition
In der Bildenden Kunst spricht man dabei schon von einem "neuen Bildersturm". Es geht jedoch nicht nur um die Niederlande! Die akute Gefahr für uns alle besteht darin, dass die Niederlande wieder mal nur die Vorreiter einer gesellschaftlichen Entwicklung sein könnten, die uns auch hierzulande droht. Das ehemals liberalste Land Europas entwickelt sich gerade zum restriktivsten – wie auch in der Einwanderungspolitik. Vor einigen Jahren wurde der Begriff "Hollandtest" eingeführt für die Zumutungen eines penetranten Fragekatalogs, dem sich Einbürgerungswillige unterziehen müssen, der daraufhin auch in Deutschland und anderen EU-Ländern zur Anwendung kam. Für den Rechtsextremisten Geert Wilders sind Kunst & Kultur sowieso nur "linke Hobbies".
Für die freie Szene hierzulande ist die Absicht der niederländischen Regierung, ab 2013 keine unabhängigen Produktionshäuser mehr zu finanzieren, sondern nur noch acht "Stadttheater" ein erschütternder rollback, ein Versuch, die Zeit zurückzudrehen: Hatten die Holländer doch vor 40 Jahren die Kulturförderung radikal umstrukturiert und die Zuwendungen an die großen Institutionen verringert zugunsten der direkten Förderungen von Künstlern, insbesondere von Theatergruppen. Dadurch ist eine einmalige Kulturlandschaft entstanden, eine Blüte neuer Ästhetiken und Theaterformen, die Hans-Thies Lehmann "das Wunder des holländischen Theaters" genannt hat. Diese Reform hat Holland zum Modell für freie, unabhängig produzierende Theaterleute gemacht und das nicht nur in Westeuropa. Dieses Modell soll nicht etwa reformiert, sondern komplett abgeschafft werden. Das ist nicht hinnehmbar und schreit nach einer Antwort von uns allen. Das Frascati Theater in Amsterdam benutzt seit ein paar Tagen als neues Logo eine schwarze Fahne mit einem weißen Kreuz – auch wir haben 2004 die schwarze Fahne über dem TAT (Theater am Turm) gehisst: Auf, ihr freien Kulturproduzenten & -aktivisten, hisst die schwarze Fahne,
hoist your colours high!
Nächste Demonstration ist am 19.9. in Le Hague: www.marsderbeschaving.nl
Für Aktionspläne von andcompany&Co. klick auf EN in der rechten oberen Ecke und lies weiter an derselben Stelle:
Am 19.9. haben sich in Rotterdam die Neo-Geuzen zusammengerottet:
Die Geuzen sind zurück: vor 444 Jahren haben die niederländischen Adligen bei der spanischen Statthalterin vorgesprochen, um die Verfolgung Andersgläubiger durch die Inquisition zu mildern und ihre Rechte zu verteidigen. Margaretha von Parma bekam es mit der Angst zu tun, daraufhin flüsterte ihr ein Höfling zu: “N’ayez pas peur, Madame, ce ne sont que des gueux.” (Haben Sie keine Angst, Madame, das sind nur Bettler!) Bettler – Geuzen – nannten sich daraufhin die holländischen Bürger und trugen Bettlertracht. Nun haben sich Künstlerinnen und Künstler, die von der Regierung als Bettler beschimpft werden, zusammen gerottet, um als Neo-Geuzen den Opstand zu proben – auf facebook als neo-geuzen und auf dem Malieveld, der Demo-Wiese in Le Hague.
Ironie der Geschichte: Hier stand einmal ein Wald, der Wald wurde während des historischen Opstands gegen die Spanier gerodet, seitdem war es ein Versammlungsort (u.a. Exerzierplatz für die Bürgermilizen), Gemeinschaftsgrund, nun hat die gegenwärtige Regierung versucht, ihn als Immobilie zu veräußern…