Der Wahnsinn lauert im Buchstaben-Gebüsch

Würde das Gebot der Stunde lauten, „Tu, was du willst – nur langweile mich nicht“: Die Truppe von „andcompany&Co.“ wäre ganz vorn dabei. Denn sie punktete bei der neuen Produktion wieder mit frischenIdeen, dramaturgischen Innovationen und überraschenden Wendungen.

Mit einer großen Portion Respektlosigkeit vor Schriftstellern und literarischen Figuren ging „andcompany&Co.“ das Stück „Pandämonium Germanicum: Lenz im Loop“ jetzt im Pumpenhaus an. Die erste Überraschung: die Bühne auf der Bühne auf der Bühne – diese Verschachtelung, inklusive doppeltem Vorhang und Goldrahmen, bricht mit den Erzählebenen. Denn im Stück trifft der Sturm-und-Drang Schriftsteller Jakob Michael Reinhold Lenz auf Goethe, der es seinerseits nicht nur mit Büchners Lenz-Figur, sondern mit Schiller, Herder, Lessing, Hauptmann, Shakespeare und Christian Kracht zu tun bekommt. Apropos Kracht: Auch auf der Bühne kracht es, etwa wenn Lenz mit Schreibfedern übers Gebirge schwebt und sich mit einem riesigen Buch duelliert, das ihn schließlich auffrisst.

„Wir wollen alle Künstler sein“, fordert die Truppe auf der Bühne in Beuys Manier. Doch der Wahnsinn lauert hier hinter jedem Gebüsch – das gilt auch für Vesper, Schriftsteller aus dem RAFUmfeld: Im LSD-Wahn bedrohen ihn bald riesenhafte Buchstaben, streicheln ihn Waldwesen, während die barocke Spinett-Musik ins Wüst-Elektronische kippt. Der Zuschauer ist gefordert, um bei den Anspielungen auf Kleist, Baader, Bleibtreu, Schlingensief und Co. nicht den Überblick zu verlieren. Statt klarer Handlung setzt das Stück auf Humor, wenn zum Beispiel die „Wieland- Kommune“ ausgerufen wird oder Goethes letzte Worte („mehr Licht“) zum hessisch gebabbelten „mer licht hier nich schlecht“ verballhornt werden.

„Wider die Zitathatz im Theater“ hatten „andcompany&Co“ noch zu Beginn verkündet. Doch zu keinem Zeitpunkt legte sich der ungestüme Wust der Anspielungen zu schwer auf das Stück. Das Publikum im Pumpenhaus dankte mit reichlich Applaus.

Autor

Maria Berentzen

Veröffentlicht

Westfälische Nachrichten, 2011-12-14