Zur Sache!
Eigentlich sollte Martin, der Protagonist aus dem Kultfilm ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN am Ende sterben wie Jean-Paul Belmondo in Jean-Luc Godards Film AUSSER ATEM. Doch als am 2. Juni 1967 der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien von einem Polizisten in Berlin erschossen wurde, änderte man das Drehbuch und ließ Martin – mit der Begründung, man wolle »nicht die Realität abbilden« – am Leben. Doch die Realität holte den Film ganz anders ein. Schon drei Monate nachdem ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN ins Kino kam, überlebte eine andere politische Galionsfigur der Studentenbewegung die Schüsse, die man auf ihn abfeuerte: Rudi Dutschke. Dieser wiederum bezog sich in seinem ideologischen Kampf selbst gerne auf das Medium Kino. Nicht umsonst trug die Fraktion, der er innerhalb der Studentenbewegung angehörte, den Namen »Viva-Maria-Gruppe«, benannt nach der Western-Komödie VIVA MARIA von Louis Malle über die mexikanische Revolution.
Das Berliner Theaterkollektiv andcompany&Co. nimmt sich nach der Wirtschaftswunderzeit der 50er Jahre in ihrer Produktion WUNDERKINDER am DT in Göttingen nun die aufregende Zeit der späten 60er Jahre vor. Humorvoll vermischen sie Realität und Fiktion und entwerfen eine politische Revue, in der notorische Realitätsverweigerer auf radikale Revolutionäre, deutscher Schlager auf politische Protestsongs treffen und deutsches Kulturgut zum Gegenstand von Quizsendungen gemacht wird.
Im Zentrum steht die Studentenbude des »Fummlers « Martin, die bevölkert wird von den »Gespenstern « der 68er. Hier trifft der Satiriker Wolfgang Neuss seinen alten Freund Rudi Dutschke wieder, Uschi Glas begegnet Brigitte Bardot und John Lennon demonstriert gemeinsam mit Yoko Ono noch einmal – wie 1969 in ihrem legendären Bed-in –, dass sich »vitale Rumhängekraft« (Martin) und politischer Protest nicht ausschließen müssen. Sie alle haben sich versammelt, um noch einmal gemeinsam die berühmte Schlussszene aus ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN nachzuspielen. Doch daraus wird nichts.